"Kein schöner Land in dieser Zeit" Das VOLKSLIEDER Festival

"Kein schöner Land in dieser Zeit" Das VOLKSLIEDER Festival

"Kein schöner Land in dieser Zeit"
Das VOLKSLIEDER Festival


Interview mit Michael Zachcial (Die Grenzgänger), Juliane Weigelt & Jan Oelmann (Bube Dame König) und Gudrun Walther (Gudrun Walther & Jürgen Treyz)
Abdruck honorarfrei

Wie geht es dem deutschsprachigen Volkslied? Es scheint eine bedrohte Art zu sein und in der Versenkung zu verschwinden.
Juliane Weinelt: Da muss ich gleich widersprechen. Es gibt regelmäßig neue Volkslied-Alben auf dem Musikmarkt, von so unterschiedlichen Künstlern wie Jazzkantine, Achim Reichel und Quadro Nuevo. Die Volkslieder-Bücher des Carus Verlags waren Verkaufserfolge und sogar Herbert Grönemeyer beschließt sein Konzert gerne mit „Der Mond ist aufgegangen“.

Michael Zachcial: Für mich wird da nichts bedroht, aber auch wenig gefördert, während manche Musik mit viel Geld und Macht in den „Markt“ gedrückt wird. Die Menschen haben leider wenig Gelegenheit, mit „Volksliedern“ in Berührung zu kommen.

Das Volkslied wird oft mit einem belasteten Heimatbegriff assoziiert oder mit Deutschtümelei.
Michael Zachcial: Der Begriff „Volk“ im Volkslied ist an sich schon problematisch, Herder sprach ja sogar von „Volksseele“. Schon damals wurde also „getümelt“!
Müssen wir also aufpassen, dass das deutschsprachige Volkslied nicht in falsche Hände gerät, was in der deutschen Geschichte ja schon passiert ist.
Gudrun Walther: Ja, aufpassen und wachsam sein sollten wir auf jeden Fall. Eine Abgrenzung nach rechts ist wichtig. Aber auch das Wieder-Erobern von Begriffen und Feldern, die in Deutschland schambehaftet sind.

Künstler wie Heino wünschen sich die Bewahrung deutscher Kultur und Musik und fordern, traditionelle deutsche Lieder im Bildungssystem lebendig zu halten. Was meint Ihr?

Jan Oelmann: Jugendliche in der Schule zu zwingen, bestimmte Lieder zu singen - oder noch schlimmer - sie vor der gesammelten Klasse auf Note singen zu lassen, ist womöglich der wirksamste Weg, sie ihnen zu verleiden. Zumindest gibt es da gelegentlich Beschwerden von Schülerinnen und Schülern unter unseren YouTube-Videos, wenn ihnen jemand das entsprechende Lied in der Schule vorgesetzt hat.


Michael Zachcial: Traditionelle Musikformen aus unserer Kultur lebendig zu halten, finde ich gut. In anderen Ländern ist das Gang und Gäbe. Ohne Förderung hätte wohl kaum die traditionelle irische Musik den Stellungswert, den sie heute hat, oder die skandinavische Volksmusik. Alte klassische Musik wird doch auch vielfältig gefördert.

Gudrun Walther: Eine Beschäftigung mit traditioneller Musik im Bildungssystem und weitergehend auch auf musikpädagogischer Ebene, halte ich für extrem wichtig. Idealerweise sollte man auch hierzulande traditionelle Musik studieren können, so dass auch Deutschland eine neue Generation von Profimusikern hervorbringen kann, die sich mit dem kulturellen Erbe kritisch und innovativ auseinandersetzen.

Wie seid ihr eigentlich mit dem deutschsprachigen Volkslied in Berührung gekommen, welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

Gudrun Walther: Ich habe einen ganz direkten Zugang zu den Volksliedern über meine Familie. Wir haben viel Hausmusik gemacht und viel gesungen. Meine Mutter ist heute noch für mich die Instanz in Sachen Volkslied – sie kennt sehr sehr viele Lieder. Und vor allem kennt sie auch die zweiten, dritten und vierten Strophen, bei denen wir ja meistens Gedächtnislücken haben… (kleiner Selbsttest: was kommt nach „Wie schön blüht uns der Maien, der Sommer fährt dahin“?) Meine erste Berührung war also „gemeinsam singen“. Mitsingen, nicht solistisch singen. Das war eine tolle Erfahrung als Kind, die mir jede Scheu vor dem Singen an sich genommen hat oder erst gar nicht aufkommen ließ.

Michael Zachcial: Meine ersten Erfahrungen mit dem Volkslied habe ich in der Grundschule gemacht. Dann gab es Sendungen im Westfernsehen in den 70ern und frühen Achtzigern, z.B. „Dokumente deutschen Daseins“ mit der Musik von Ougenweide. Oder die „Matinee der Liedersänger“ im WDR, Hannes Wader und Liederjan, die ich live mit Volksliedern hörte.

Was ist das Wertvolle an Volksliedern für Euch?

Gudrun Walther: Volkslieder sind eindeutig Zeitzeugnisse: Was hat die Leute beschäftigt, wo sind die Themen heute noch dieselben, was hat sich geändert, was kommt zyklisch wieder? Und man stellt fest, viele der populärsten Lieder sind universell, sind zeitlos und heute noch genauso relevant wie vor 200 Jahren.

Jan Oelmann: Genau. Viele Lieder sprechen universelle Gefühle und Themen an, die ich auch heute genauso nachvollziehen kann wie die Menschen damals. Andere üben gerade durch die zeitliche Distanz und die damit verbundene Fremdheit Anziehung aus.
Juliane Weinelt: Für uns ist das Repertoire vor allem ein riesiger Fundus aus dem wir auswählen können, was uns gefällt: Es gibt da zum Glück kein Original und keine verbindliche Art, das Lied zu spielen und zu arrangieren. Das eröffnet herrliche Freiheiten.
Beschäftigt Ihr Euch mit den Hintergründen, den Entstehungsgeschichten dieser Lieder? Was für Erkenntnisse könnt Ihr dabei gewinnen?

Michael Zachcial: Aber unbedingt! Der Erkenntnisse sind so viele, wir haben jetzt fast zwanzig Konzertprogramme damit gefüllt. Was ich erstaunlich finde, ist, dass Historiker so wenig mit diesem Material arbeiten. Das Publikum ist immer wieder auch verblüfft, wie nah ihnen die Inhalte der Lieder eigentlich sind.

Wie ist Eure Arbeitsweise, neue Lieder zu entdecken?

Gudrun Walther: Wir stöbern viel in alten Liederbüchern. Viele davon sind nicht mehr im Druck und wir haben sie antiquarisch erworben.
Michael Zachcial: Bei uns war es so, dass ich gleich für unser erstes Album „Die Schiffe nach Amerika“ nach Freiburg ins 1914 gegründete Volksliedarchiv gefahren bin und reichlich bisher unveröffentlichtes Material herauskopiert habe. Dann folgte ein Werkvertrag für ein Museum für ein Projekt mit Weberliedern, von denen ich viele aus alten Gewerkschaftszeitungen retten konnte.

Ihr werdet von Februar bis April 2024 auf Tournee mit einem Volkslieder Festival gehen.
Was kann das Publikum erwarten?

Michael Zachcial: Vielfalt und schöne Musik, handwerklich auf hohem Niveau!

Jan Oelmann: Ich glaube, für das Publikum wird es sehr spannend zu sehen, dass da drei Ensembles auf der Bühne stehen, die jeweils eine ganz unterschiedliche Perspektive auf das Thema Volkslied haben. Denn eigentlich gibt es das ja auch gar nicht: Das Volkslied im Singular.

Gudrun Walther: Wir nehmen das Publikum mit auf eine Zeitreise. Wir fiebern mit den Protagonisten von Gruselballaden mit, die schon Edgar Allan Poe inspirierten. Und mit den Liebenden, die zueinander nicht kommen können. Wir freuen uns auf den Frühling in einer Zeit vor dem elektrischen Licht und der Zentralheizung. Wir entdecken Parallelen – gab es nicht schon einmal einen Bauernaufstand auch hierzulande? Und wir finden heraus, dass wir kein bisschen anders sind als unsere Vorfahren: zutiefst menschlich.

Das Interview führte Cornelia Thomas

Mittwoch 06.03.2024  | 19:30 Uhr | Augsburg - Parktheater im Kurhaus Göggingen -

Weitere Infos und alle Ticketlinks:
https://www.volksliederfestival.de

Tourneeveranstalter:
Hans Emmert – Konzertbüro Emmert GmbH
Telefon: 06691 22464
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